REVISIONSCHIRURGIE: Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule
Definition
Die Revisionschirurgie der Wirbelsäule beinhaltet operative Verfahren, welche als Ziel die Behandlung von symptomatischen Folgen vorausgegangener operativer Wirbelsäuleneingriffe haben. Diese Revisionseingriffe können notwendig werden, wenn es z.B. zur Lockerung eingebrachter Implantate oder zu einer ausgebliebenen Fusion gekommen ist (sog. Pseudoarthrose). Weitere Gründe sind etwa, wenn z.B. ein Verfahren in der Behandlung einer Skoliose oder Kyphose im Wachstumsalter oder einer Wirbelsäulenverletzung nicht zum gewünschten Ziel geführt hat. Bestehende Einengung von Nervenstrukturen oder verbliebene und neue Fehlstellungen von Wirbelsäulenabschnitten, welche Beschwerden erklären können, gehören ebenfalls in den Handlungsbereich der Revisionschirurgie.
Ursache und Häufigkeit
Ungünstige Behandlungsverläufe und Komplikationen in der Wirbelsäulenchirurgie können wie in allen chirurgischen Fächern eintreten. In Abhängigkeit von der Schwere der Grunderkrankung kann die Häufigkeit zwischen 0%- 80% schwanken.
Mögliche Beschwerden und Symptome
Das Beschwerdebild steht in Abhängigkeit von der Grunderkrankung und dem durch den Arzt identifizierten morphologischen Substrat der Beschwerden, z.B. Implantatlockerung, Implantatversagen (Abb.17.1), Einengung (Stenose) von Nervenstrukturen, Infektion der Wirbelelemente, Bluterguss (sog. Hämatom), ausgebliebene Knochenheilung im Rahmen einer Fusionsoperation (Abb.17.2 und 17.3), Korrekturverlust nach einer Aufrichtungsoperation bzw. Korrektureingriff bei Skoliose- oder Kyphose und sog. sagittale Imbalance (Abb.17.4) u.v.a. Die erfolgreiche Zuordnung von Beschwerden zu morphologischen Befunden (in CT, MRT, Röntgen, Funktionsaufnahmen, Szintigraphie, Myelographie, PET-Untersuchung) bei Patienten mit Voroperationen bedarf der besonderen Erfahrung in der Revisionschirurgie.
Konservative Behandlung
Die meisten Komplikationen dürfen als geringgradig gewertet werden (sog. Minor-Komplikationen) und werden meist auch ohne operative Behandlung mit konservativen medizinischen Maßnahmen bewältigt.
Operative Therapie
Schwere chirurgische Komplikationen (sog. Major-Komplikationen) bedürfen häufig der operativen Revision und somit erneuter Operation (Re-Operation). Die Revisionschirurgie greift auf bekannte Techniken aller Bereiche der Wirbelsäulenchirurgie zu. Hierzu zählen minimal-invasive Verfahren, offene Verfahren, Eingriffe von ventral im Bereich der gesamten Wirbelsäule (inklusive transthorakale Zugänge, Laparotomien, retroperitoneale Zugänge), auch bei bereits erfolgtem ventralen Zugang, dorsale offene Verfahren, Korrektureingriffe bei Skoliose und Kyphose. Der operative Aufwand, die Morbidität, und die Voraussetzungen an Erfahrung sind bei Revisionseingriffen erhöht. Unter Einsatz standardisierter Verfahren sind jedoch häufig reproduzierbare und objektiv gute Ergebnisse zu erreichen.
Revisioneingriffe bei Kindern
Die Zunahme der operativen Behandlungsmöglichkeiten und ihre Vereinfachung bei Kindern und Adoleszenten in den letzten 10 Jahren hat leider auch zu einer steigenden Anzahl an Patienten geführt, welche bei initial ungünstigem Verlauf und/oder Technik nach mehreren Operationen nun mit schwerer Deformität und Verkrümmung der Wirbelsäule zur Behandlung vorstellig werden.
Die Planung der Korrektureingriffe in dieser Situation ist meist sehr aufwendig (s. auch 3D-Operationsplanung) und Bedarf der besonderen Fallbesprechung mit Kind und Familie, Expertise des Operateurs und Infrastruktur einer Klinik.
Abbildung 17.5 und Abbildung 17.6 zeigen Beispiele schwerer Deformitäten von Kindern, welche mehrfach im Kindesalter operiert wurden und zuletzt in einer schweren Fehlstellung einsteiften. Die erfolgreiche Revisions- und Korrekturoperation mit einer Aufrichtung von Kyphose und/oder Skoliose ist heutzutage möglich, wenngleich dies sehr aufwendig ist.
Copyright © 2020 Prof. Dr. Heiko Koller, Wirbelsäulenchirurg